Bedarfsgerechte Qualifikation für Instandhalter
Hersteller von Maschinen und Anlagen müssen beweisen können, dass ihr Handeln jederzeit sicher war, nur so vermeiden sie im Schadensfall drastische Konsequenzen und fördern zugleich die Prozess- und Arbeitssicherheit. Neben dem Einsatz zugelassener Technik müssen Unternehmen auch den Nachweis anerkannter Qualifikationsmaßnahmen ihrer Mitarbeiter erbringen. Festgeschrieben ist diese Tatsache in der Richtlinie VDI/VDE-MT 2637 – Blatt 1, die 52 Qualifizierungsbausteine umfasst. So viel steht fest. Unsicherheit herrscht hingegen in der Frage, welche dieser Wissensmodule für Instandhalter erforderlich sind, um allzeit auf der sicheren Seite zu sein.
Zertifizierte Schulungen schaffen Rechtssicherheit
Zur Sisyphusarbeit ausarten kann die Aufgabe, mit der sich Unternehmen seit der Einführung der Richtlinie VDI/VDE-MT 2637 – Blatt 1 konfrontiert sehen. Allein die Ermittlung des Schulungsbedarfs für jeden mit Schraubtechnik befassten Mitarbeiter erfordert ein gewisses Maß an Fachwissen und eine gründliche Recherche in den teils sperrigen Texten des 83 Seiten umfassenden Papiers. Eine zeitintensive und mit erheblichem Fehlerpotential belastete Pflicht für jeden Mitarbeiter mit Personalverantwortung, die jedoch in Expertenhand ausgelagert werden kann. Spezialisierte Lerndienstleister wie die Akademie der Schraubverbindung (AdSV) sind zertifiziert nach ISO 29990. Diese Norm bürgt für mehr Qualität in der Bildung und gewährleistet den Teilnehmern der Kurse weltweit den Nachweis, ihre Pflichten hinsichtlich der Mitarbeiterqualifikation erfüllt zu haben. „Unsere Dozenten haben bereits hunderte Seminare in Verschraubungstechnik erfolgreich durchgeführt. Auf der Basis dieser reichen Erfahrungswerte haben wir Lehrpläne entwickelt, die sicherstellen, dass die Vorschriften der VDI-Richtlinie eingehalten werden“, sagt Catrin Junkers, Geschäftsführerin der AdSV.
Die konkrete Tätigkeit bestimmt den Qualifikationsbedarf
Für die qualifizierungsintensive Berufsgruppe des Indstandhalters relevant sind die Qualifikationsbausteine Q-04, Q-15, Q-37 und Q-46 der Richtlinie VDI/VDE-MT 2637 – Blatt 1. Gehören Flanschverbindung zum Verantwortungsbereich des Mitarbeiters, sollte er zusätzlich mindestens die Grundqualifikation der DIN-EN 1591 Teil 4 absolviert haben. Bereits diese Informationen zu ermitteln ist für Personalverantwortliche häufig mühsam. Auf dieser kleinsten Basis den tatsächlichen Schulungsbedarf festzustellen ist nochmals herausfordernder, verlangt nach Sorgfalt und einer genauen Kenntnis der konkreten Aufgaben jedes mit Schraubtechnik befassten Mitarbeiters. Denn die Mindestanforderungen sind in der Richtlinie nicht Berufsgruppen oder Berufsbezeichnungen zugeordnet, sondern den entsprechenden Tätigkeiten. „Um Unsicherheiten und Fehlqualifikationen auszuschließen, empfiehlt sich eine Einzelfallbetrachtung durch einen Verschraubungsexperten, der auch firm ist in der Interpretation der einschlägigen Normen“, so Junkers.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Richtlinie VDI/VDE-MT 2637 – Blatt 1 keine konkreten Schulungsinhalte oder Schulungsumfänge beschreibt, sondern für jeden der 52 Qualifikationsbausteine minutiös die zahlreichen Anforderungen aufführt. Diese sind obendrein unterteilt in die drei Kompetenzstufen „Kennen“, „Können“ und „Beherrschen“. Weiterhin muss die Fachkraft die Einhaltung der entsprechenden Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, betrieblichen Anweisungen und den Stand der Technik sicherstellen. Dieses massive Forderungspaket der Richtlinie in gut verständliche Schulungseinheiten mit unmittelbar verwertbarem Praxisbezug umzusetzen, ist die Kunst des Schulungsanbieters und seiner Trainer. „Das wichtigste Kapital und Qualitätsmerkmal einer Schulungseinrichtung sind ihre Dozenten. Der VDI/VDE fordert daher vom Lehrpersonal die Erfüllung strenger Kriterien und schreibt diese in der Richtlinie VDI/VDE-MT 2637 – Blatt 2 fest. Auf die Erfüllung dieser noch jungen Norm vom Oktober 2019 sollten Unternehmen bei der Auswahl ihres Lerndienstleisters in Verschraubungstechnik unbedingt achten“, sagt Junkers.
Relevante Qualifikationsbausteine für Instandhalter
Die folgende Zusammenstellung der Q-Bausteine zeichnet ein typisches Bild des Schulungsbedarfs, welches jedoch nicht zu 100 % auf jede Firma übertragbar ist. Da die Aufgabenverteilung eines Instandhalters firmenspezifisch differiert, könnten mehr oder weniger Q-Bausteine erforderlich sein. Entscheidend ist, dass über den gesamten Prozess gesehen alle relevanten Q-Bausteine Beachtung finden, um nach dem Stand der Technik der Aufgabe mit einer sicheren Schraubmontage gerecht zu werden. Dies muss auch klar in einer Prozess- und Tätigkeitsbeschreibung abgebildet werden. Der Instandhalter muss somit über die notwendigen Fähigkeiten seiner Tätigkeitsbeschreibung verfügen und das notwendige Wissen über entsprechende Qualifizierungen gemäß VDI/VDE-MT 2637 – Blatt 1 nachweisen können.
Der Qualifikationsbaustein Q-04 der VDI/VDE-MT 2637 – Blatt 1 beschreibt „Die Festlegung der Schraubfallkategorie“ und richtet sich in erster Linie an Mitarbeiter der Qualitätssicherung. Die Instandhaltung sollte hierzu jedoch ebenfalls das Hintergrundwissen besitzen. Die Tätigkeit umfasst das Anwenden von geeigneten Methoden zur Analyse und Beurteilung des Versagensrisikos sowie die Festlegung der Schraubfallkategorie unter Berücksichtigung der geltenden Normen und Richtlinien. Der Mitarbeiter muss dazu eine Risikobewertung durchführen und anschließend die Mindestanforderungen an Schraubsysteme und Prozesse definieren. ((Relevante technische Regeln sind DIN EN ISO 12100, ISO 26262, VDI/VDE 2862 und DIN 25201-7.))
Der Qualifikationsbaustein Q-15 behandelt das Thema „Auswahl von Schraubwerkzeugen für den Montageprozess (Hardware)“. Ziel ist, dass der Mitarbeiter eigenverantwortlich die Auswahl der für die umzusetzenden Schraubfälle erforderlichen und geeigneten Schraubwerkzeuge und Austauschwerkzeuge treffen kann. Er muss dabei die Zugänglichkeit, Ökonomie und Ergonomie berücksichtigen und die Montageumgebung unter finalen Einbaubedingungen bewerten können. ((Die relevanten technischen Regeln sind VDI/VDE 2649, VDI/VDE 2645 – Blatt 2, DIN EN ISO 11148-6, DIN EN 1005, ISO 11228-1 bis -3, VDI/VDE 2647, VDI/VDE 2862, DIN EN ISO 6789 und ISO 5393.))
Der Qualifikationsbaustein Q-37 befasst sich mit der Tätigkeit „Herstellung einer Schraubverbindung im Feld oder außerhalb der Serienfertigung“. Die Aufgabe umfasst die Herstellung von Schraubverbindungen bei Wartung, Reparatur, Service und Modifikation im Feld und/oder außerhalb der Serienfertigung. Die Anforderung an den Mitarbeiter besteht darin, ein funktionell identisches Resultat entsprechend den konstruktiven Vorgaben herzustellen. ((Dafür relevant sind die technischen Regeln VDI 2887 und DIN EN 60300-3-14.))
Der Qualifikationsbaustein Q-46 beschäftigt sich mit der Aufgabe „Einkauf von Schraubwerkzeugen sowie Mess- und Prüfmitteln“. Hierzu muss der Mitarbeiter in der Lage sein, geeignete Lieferanten zu recherchieren und auszuwählen sowie den Bestellvorgang durchzuführen. Er muss dabei die Vorgaben des Lastenhefts berücksichtigen und die technischen Fachabteilungen einbeziehen. ((Relevante technische Regeln sind DIN EN ISO 9001, VDI/VDE 2862, VDMA 34160 und VDI 2884. Zudem gelten die gesetzlichen Vorgaben des ProdHaftG und des ProdSG.))
Auch die Personalverantwortlichen sind in der Pflicht
Allein die schiere Menge an relevanten Normen und Gesetzen schreckt den uninformierten Laien, der sich einem unüberschaubaren Wust an technischen Regeln und juristischen Schriftsätzen ausgeliefert sieht. Die Richtlinie VDI/VDE-MT 2637 – Blatt 1 berücksichtigt diese Tatsache und schreibt für alle mit Schraubtechnik befassten Personen in einem Unternehmen eine ausreichende Qualifikation vor. Das gilt ausdrücklich auch für die Mitarbeiter der Personalabteilung und für Vorgesetzte, die geeignete Schulungen für die Instandhalter in ihrem Unternehmen auswählen und buchen müssen. „Was wirklich wichtig ist und was Personalverantwortliche gemäß VDI/VDE-MT 2637 – Blatt 1 tatsächlich kennen, können und beherrschen müssen, wissen unsere Dozenten. Sie selektieren die Qualifikationsbausteine berufsgruppenspezifisch und übersetzen die Fachtexte in verständliche Alltagssprache. Nur qualifizierte Personaler und Vorgesetzte können verantwortungsvoll handeln, der Arbeitssicherheit förderliche Entscheidungen treffen und letztlich auch ihr Unternehmen vor Schadensersatzansprüchen schützen“, so Junkers.